Vereinte Nationen fordern Deutschland auf, mehr gegen Rassismus zu tun. Auch in Hamburg nimmt die Fremdenfeindlichkeit im Alltag zu.
Martina Goy
Zusammengefasst von uns
Mehr als 20 Jahre war seine Hautfarbe kein Problem. Doch neuerdings passiert es ihm immer öfter, dass Fahrgäste zu seinem Auto kommen, hineinschauen und dann vorbei gehen. Auf die Frage, warum sie nicht einsteigen, lautet die Antwort: "Mit einem wie dir fahren wir nicht."
Derart offen gezeigte Fremdenfeindlichkeit ist neu für den Taxifahrer aus Nigeria, der nicht mit seinem richtigen Namen genannt werden möchte. Zwar ist er vor anderthalb Jahren schon von der Nacht- in die Tagschicht gewechselt, weil Pöbeleien und Drohungen zunahmen. Inzwischen fühlt er sich so unwohl und unwillkommen in Hamburg, dass er tatsächlich überlegt, in seine Heimat zurückzugehen.
Erfahrungen wie die des Afrikaners, der einen Großteil seines Lebens in Deutschland verbracht hat, machen derzeit viele Ausländer oder Menschen mit Migrationshintergrund in der vermeintlich toleranten Großstadt Hamburg. Bundesweit und schlagzeilenträchtig haben zuletzt die Pegida-Aufmärsche sowie brennende Asylunterkünfte die internationale Gemeinschaft aufmerksam werden lassen. Kürzlich musste sich Deutschland vor dem Rassismus-Ausschuss der Vereinten Nationen dazu erklären. Die fremdenfeindliche Stimmung hierzulande ist dort ein Thema.
Birte Weiß, 42, von der Antidiskriminierungsberatungsstelle Amira am Steindamm bestätigt diese Einschätzung aus ihrer Praxis. "Zu uns kommen viele Menschen, die sich immer häufiger Ressentiments ausgesetzt sehen. Weil Alltagsrassismus aber noch wenig erforscht und dokumentiert ist, hat die Kulturwissenschaftlerin und systemische Beraterin im Auftrag des staatlich geförderten Trägervereins Basis und Woge e.V. einen ersten Erfahrungsbericht für Hamburg erstellt. Zugrunde gelegt wurden 100 Fälle, die 2012 beraten und begleitet wurden.
Da ist beispielsweise die kopftuchtragende Schülerin der gymnasialen Oberstufe, die in der Pause den Klassenraum ausfegt, so wie es alle Schüler abwechselnd tun. Der Lehrer kommt in den Raum und sagt zu ihr: "Ah, das ist gut, dass Sie sich auf ihre zukünftige berufliche Tätigkeit vorbereiten." Sie wehrt sich gegen diese Beleidigung. Als Folge sinken ihre Noten.
Aus ihrer zehnjährigen Beratertätigkeit weiß Birte Weiß, wie schwer sich die Betroffenen tun, Hilfe zu suchen. "Die Stimmung innerhalb dieser Gesellschaft ist zur Zeit anti-muslimisch und aufgeladen. Viele Muslime oder die, die für solche gehalten werden, sind einfach nur noch froh, wenn sie unbehelligt durch den Tag kommen."
Auch anderswo im Norden gibt es erste Erkenntnisse. 2013 richtete der Kieler Landtag eine Antidiskriminierungsstelle ein. Dort meldeten sich bis Ende 2014 insgesamt 139 Menschen, weil sie öffentlich diskriminiert und benachteiligt wurden. Eine erste Bilanz mit Fallbeispielen wurde gerade vorgestellt. Betroffen war unter anderem ein 13-jähriges Mädchen, das von einem Busfahrer beleidigt worden war. Sie wollte ein Schülerticket kaufen, der Fahrer verkaufte ihr aber einen teureren Erwachsenenfahrschein. Als die Schülerin auf das vermeintliche Versehen hinwies, sagte der Busfahrer: "Neger müssen eben mehr zahlen."